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Das Oeuvre von Kirsten Hanenberg entwickelt sich im
Spannungsfeld zweier Pole: Ihr künstlerisches Repertoire reicht von der
figurativen bis zur abstrakten Malerei, von einer düsteren Farbgebung bis zur
bunten Palette in vorwiegend leuchtenden Rottönen und vom Naturalismus bis zur
Collage. Wie ein roter Faden bleibt die charakteristische Handschrift der
Künstlerin stets unverkennbar und verbindet die unterschiedlichen Ausdrucksformen schlüssig miteinander.
In ihrer Porträtserie widmet sich Kirsten Hanenberg einem Genre, das seit jeher zu den zentralen Themen der Malerei gehört. Vor einem dunklen oder bräunlichen Hintergrund erscheinen präzise gemalte Physiognomien, ihr Ausdruck entspricht der jeweiligen Farbstimmung des Bildes. Die dargestellten Personen scheinen in einem für sie charakteristischen Augenblick festgehalten: Eine junge Frau mit rotbraunen Locken und offenem Blick lächelt verschmitzt; auf einem anderen Bild lacht und grinst ein Mann über das ganze Gesicht, die Hände an die Schläfen gepresst. Zwei weitere Porträts von Männern vor schwarzem Hintergrund blicken ernst und geheimnisvoll. Auch wenn die Dargestellten dem Betrachter nicht persönlich bekannt sind, so lassen Farbgebung und Komposition rasch erkennen, dass die Künstlerin über das äußere Erscheinungsbild hinaus die verborgenen Wesensmerkmale und Stimmungen interessierte. Dieser Eindruck wird durch die Betonung der leuchtend gemalten Augen unterstrichen, die das Bildzentrum bestimmen. Damit lenkt Kirsten Hanenberg die Aufmerksamkeit auf ein Element des Gesichts, in dem sich am deutlichsten Gefühle und Gedanken, Geist und Emotionen ablesen lassen. Der punktgenaue Fokus auf den Bildmittelpunkt und die Dramaturgie der Lichtführung erinnern an expressive Filmplakate aus den 50ern. Dargestellt sind jedoch keine Prominente oder Stars, sondern Freunde der Künstlerin. Der psychologisierende Blick hinter die Fassade des Menschen, der sein komplementäres Innenleben offenbart, wird durch Medienklischees transportiert. Es ist ein doppeltes Spiel mit den Rollen - den angeeigneten und den verborgenen, das die dargestellte Person facettenreich umschreibt. Die Bildtitel beziehen sich auf Zeitungsausschnitte, die auf den Untergrund geklebt sind. In übermalten Schlagzeilen und Artikelfetzen sind einzelne Buchstaben und Worte deutlich zu erkennen. "Pourquoi (pas)" lautet ein nachdenklicher Bildtitel und zugleich erscheint die Frage neben anderen Fragmenten der Presse wie culture, bonnes affaires, immobilier, Absinth, Le Monde. Es sind ausschließlich französische Zeitungen, die die Künstlerin verwendet. Sie stehen für einen Kulturkreis, der die Künstlerin immer wieder inspiriert. Wie sanftes Raunen oder Wispern drängen die Worte aus dem Hintergrund nach vorne und bilden hier ein Geflecht von Assoziationen, die uns weitere Eigenschaften und Vorlieben der Dargestellten erschließen. Schließlich bearbeitet die Künstlerin das Werk noch einmal. So fügt sie einfache, grobe Materialien wie Sackleinen hinzu, ein Verweis auf die "rauhe Schale" mit der sich der Porträtierte umgibt, in der, wie die Zeichnung einer Meise scherzhaft andeutet, viel Witz und Charme steckt. In anderen Arbeiten ist der Farbpinsel auf der Leinwand heftig ausgedrückt, so dass hinab fließende Farbbäche entstehen, die auf eine lebendig-eigenwillige wie leidenschaftliche Persönlichkeit schließen lassen. Das Material, das in den Porträts als Attribut eingesetzt wird, verselbständigt sich in den abstrakteren Bildern, es wird werkbestimmend. In Arbeiten wie etwa "Raucher" strukturiert Kirsten Hanenberg die Flächen mit Gefundenem, Weggeworfenem und Abfall, mit Kaffeepulver, Juteresten, Faden und Klettstreifen und fügt der Komposition durch breite Linienbahnen Umrissfigur und Form hinzu. "Schiefer Turm" schließlich zeigt ein in gewellte und glatte Flächen, in braune und weiße Vertikalformen gegliedertes Werk, das mit Gittermustern in Schwarz und Weiß strukturiert ist. Das verbindende Element zwischen abstrakter und figurativer Malerei ist der collagenartige Bildaufbau und die Transformation von Abfallmaterial in Kunst. Mit der Ausstellung "Transformation" und dem dazu erscheinenden Katalog ermöglicht die Künstlerin Kirsten Hanenberg der Öffentlichkeit erstmalig einen Einblick in ihr vielseitiges, polarisierendes Schaffen. Dr. Annette Lagler |
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